„lange bevor sie eintritt.“ Dieses Zitat von Rainer Maria Rilke deutet darauf hin, dass wir Menschen vielfach die Wirkung von etwas erst einschätzen können, wenn es bereits zu spät ist. Auf den heutigen immensen Medienkonsum bezogen ergibt sich daraus die gesellschaftlich relevante Frage, ob, und wenn ja wie, uns dieser beeinflusst. Denn wenn sich etwa durch die Rezeption von medialer Gewalt in den Menschen etwas ändert, das erst in Zukunft offenbar wird, dann ist dies insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche, die früh und oft ohne ausreichende Medienerziehung Medien nutzen, genau zu untersuchenden.
Im Rahmen dieses Essays soll ein Gedankenanstoß gegeben werden sich mit der Wirkung von Gewaltdarstellungen in Filmen auseinanderzusetzen, mit einem Fokus auf die Wirkung auf Kinder und Jugendliche.
Zu dem Thema existiert eine interessante Studie: „Lustige Gewalt? Zum Verwechslungsrisiko realer und inszenierter Fernsehgewalt bei Kindern durch humoreske Programmkontexte.“ Das Zusammenspiel der Elemente Gewalt und Humor ist bisher selten untersucht worden. Zwar wurde sehr viel über Filme spekuliert, die mit diesem Spannungsfeld spielen, jedoch wurden selten Kinder oder Jugendliche in eine entsprechende Studie einbezogen. Eine der wenigen Arbeiten, die sich mit Gewalt im Kontext von Humor auseinandersetzte, ist die von Jablonski und Zillmann (1995): Aufbauend auf der Beobachtung, dass in modernen Actionfilmen immer stärker auch humorvolle Momente mit aufgenommen werden, entwerfen sie die Forschungsfrage, ob das Hinzufügen von humorvollen Elementen in Gewaltszenen zu einer Entschärfung der Gewalthandlung führe. Dahinter steht die Befürchtung, dass solche Szenen Gewalt alltäglich werden lassen werden könnten. 90 Frauen und Männer sollten vier Filmszenen hinsichtlich ihres Gewaltgehaltes einschätzen. In einer dieser Szenen waren nur Gewalthandlungen zu sehen, in einer anderen wurde die Gewalt mit Humor verbunden.
Die Befragten sollten nach dem Ansehen des Films unter anderem beurteilen, wie gewalttätig die Handlungen gewesen seien und ob die Gewalt gerechtfertigt sei. Es gab klare geschlechtsspezifische Unterschiede in der Form, dass die befragten Frauen die Gewalt weniger rechtfertigten als die befragten Männer. Zum anderen zeigte sich, dass durch das Einflechten humorvoller Elemente in Gewalthandlungen die Gewalt selbst harmloser schien. Durch diese Untersuchung konnte also die These unterstützt werden, dass es durch die Verbindung von Gewalt und Humor zu einer Verharmlosung der Gewalt kommen kann.
Eine andere Studie fand heraus, dass Kinder nicht nur emotional auf Gewaltdarstellungen reagieren, sondern auch rasch moralische Urteile fällen. So empfanden sie beispielsweise die Gewalt gegenüber einer Schwester in einem Krankenhausdrama als besonders schlimm, weil es sich um eine hilfsbereite Frau handelte, die zudem in einem scheinbar sicheren Raum arbeitete und sich gegen mehrere Angreifer erwehren musste.
Die Studie zeigt, dass Kinder schon in diesem Alter genau wissen, was Gewalt für sie bedeutet. Sie können das, was sie sehen, interpretieren, sind in der Lage Realität und Fiktion zu trennen und fähig moralische Urteile durch das „lesen“ von Bildern zu entwickeln. Die Verantwortlichen sollten deshalb im Auge behalten, was Kindern besonders gewaltsam erscheint. Die Untersuchung legt nahe, dass mediale Gewaltdarstellungen direkten Einfluss auf Kinder und Jugendliche nehmen können. Andererseits ist ihr Urteilsvermögen relativ früh zu einem gewissem Teil ausgebildet, so dass Ereignisse wie in Wennenden nicht vorschnell zu erklären sind.
Das Beispiel der ersten Studie zeigt, dass Gewaltszenen in ihrem Kontext zu untersuchen sind. Die zweite Studie macht deutlich, dass Kinder grundsätzlich in der Lage sind den Kontext einer Gewaltdarstellung in ihre Urteilsbildung mit einbeziehen. Von der rein numerischen Zahl an Gewaltszenen in einer Sendestunde auf irgendeine Gefahr zu schließen sollte damit der Vergangenheit angehören.
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