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Donnerstag, 19. März 2009

Gewalt, Thesenstreit und Videos

Blut spritzt – und ich habe Angst. So viel Blut, so viel sinnlose Gewalt, abgetrennte Köpfe und durchsiebte Leiber! Da muss einem doch Angst und Bange werden. Angst, dass einem all dies genommen wird! So geht es jedenfalls mir, wenn ich die aktuelle Diskussion um das Verbot von Ego-Shootern lese. Denn wenn diese erst verboten sind, ist der Schritt zur Filmwelt kein großer mehr. Auch wenn erstere sich durch ein höheres Maß an Interaktivität auszeichnen und daher schneller in der (verzeihen Sie mir das Wortspiel) Schusslinie stehen, sehen wir uns doch vor eine grundlegende Frage gestellt:


Schaden Gewaltdarstellungen in fiktionalen Welten den Menschen in dieser unser realen Welt? Und aus persönlicher Vorliebe möchte ich präzisieren: Führt der Konsum von Filmen, in denen Gewalt ein vielleicht sogar zentrales Element darstellt, zwangsläufig oder zumindest tendenziell zu einem höheren Gewaltpotential bei Menschen?


Es steht außer Frage, dass Gewalt in Filmen tagtäglich allein in Deutschland Millionen Menschen erreicht und daher ist die Frage, wie diese wirkt, nur legitim. Gerne wird die Anzahl der Gewaltakte während eines Spielfilms gezählt. Doch von der reinen Existenz solcher Szenen, und mögen sie noch so zahlreich sein, sollte nicht der kausale Schnellschuss gewagt werden, dass diese dem braven deutschen Rezipienten die Unschuld rauben.


Die Empfehlungen des Jugendschutzes müssen natürlich eingehalten werden, da junge Menschen leichter zu beeinflussen sind. Doch ab einem gewissen Alter stellt sich für mich die Frage nach der Eigenverantwortung in Bezug auf das eigene Handeln. Eine Aussage wie „Das hab ich in einem Film gesehen!“ nach einer gewalttätigen Handlung verschreckt natürlich einige Menschen, die sich nicht vorstellen können, wie jemand eine solche Tat begehen konnte. Doch inwieweit ist eine derart tröstliche Lösung wissenschaftlich beweisbar?


Die existierenden Thesen zu dem Thema gehen mal davon aus, dass Menschen die gesehene Gewalt nachahmen wollen, dann wieder davon, dass sie abschreckend wirke. Mal kommt die Gewalt auf der Leinwand einer Ersatzbefriedigung gleich, dann ist sie wieder das reale Gewalt auslösende Moment. Und während die Wissenschaftler sich noch einzig in ihrer Uneinigkeit eins sind, formiert sich unter dem Banner der Moral eine Phalanx der Entschlossenen: Eltern, die wollen, dass ihr Schatz noch möglichst lange vor der kalten Welt da draußen beschützt wird, bieten Politiker rigide Vorschriften, was zumutbar ist.


Doch was ist schon noch zumutbar? Die Behörde, die in den USA für die Altersbegrenzung zuständig ist, findet es etwa in Ordnung, wenn gezeigt wird, wie Menschen erschossen werden, doch das dabei fließende Blut darf nicht gezeigt werden. Die geradezu perverse Ironie ist also: In den USA ist die Entwicklung nun soweit vorangeschritten, dass Filme, die von Gewaltdarstellungen leben, entweder nicht mehr finanzierbar sind, weil sie eine zu hohe Einstufung erhalten haben, oder sie müssen die Folgen der Gewalteinwirkung verschweigen. Dass die Konfrontation mit eben diesen vielleicht die abschreckendere Wirkung hätte als jedes Verbot, sollte den Zuständigen mal jemand in den Schädel prügeln…oh, verzeihen Sie. Ich habe wohl wieder zu viel ferngesehen.


Blut spritzt – und ich habe Angst. So gesehen haben die Moralapostel und Panikmacher wohl recht mit ihren kausalen Wirrwarrerklärungen. Nur habe ich weder Angst vor Jugendlichen, die schon mal ihre Waffen wetzen, noch davor selbst zum willenlosen Opfer des Netzhaut-Bombardements zu werden. Solange die wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema keine befriedigende Lösung bieten, ist die einzige Waffe die ich in diesem Zusammenhang fürchte die Schere der Zensur.

„Die Zukunft zeigt sich in uns…“

„lange bevor sie eintritt.“ Dieses Zitat von Rainer Maria Rilke deutet darauf hin, dass wir Menschen vielfach die Wirkung von etwas erst einschätzen können, wenn es bereits zu spät ist. Auf den heutigen immensen Medienkonsum bezogen ergibt sich daraus die gesellschaftlich relevante Frage, ob, und wenn ja wie, uns dieser beeinflusst. Denn wenn sich etwa durch die Rezeption von medialer Gewalt in den Menschen etwas ändert, das erst in Zukunft offenbar wird, dann ist dies insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche, die früh und oft ohne ausreichende Medienerziehung Medien nutzen, genau zu untersuchenden.


Im Rahmen dieses Essays soll ein Gedankenanstoß gegeben werden sich mit der Wirkung von Gewaltdarstellungen in Filmen auseinanderzusetzen, mit einem Fokus auf die Wirkung auf Kinder und Jugendliche.



Zu dem Thema existiert eine interessante Studie: „Lustige Gewalt? Zum Verwechslungsrisiko realer und inszenierter Fernsehgewalt bei Kindern durch humoreske Programmkontexte.“ Das Zusammenspiel der Elemente Gewalt und Humor ist bisher selten untersucht worden. Zwar wurde sehr viel über Filme spekuliert, die mit diesem Spannungsfeld spielen, jedoch wurden selten Kinder oder Jugendliche in eine entsprechende Studie einbezogen. Eine der wenigen Arbeiten, die sich mit Gewalt im Kontext von Humor auseinandersetzte, ist die von Jablonski und Zillmann (1995): Aufbauend auf der Beobachtung, dass in modernen Actionfilmen immer stärker auch humorvolle Momente mit aufgenommen werden, entwerfen sie die Forschungsfrage, ob das Hinzufügen von humorvollen Elementen in Gewaltszenen zu einer Entschärfung der Gewalthandlung führe. Dahinter steht die Befürchtung, dass solche Szenen Gewalt alltäglich werden lassen werden könnten. 90 Frauen und Männer sollten vier Filmszenen hinsichtlich ihres Gewaltgehaltes einschätzen. In einer dieser Szenen waren nur Gewalthandlungen zu sehen, in einer anderen wurde die Gewalt mit Humor verbunden.


Die Befragten sollten nach dem Ansehen des Films unter anderem beurteilen, wie gewalttätig die Handlungen gewesen seien und ob die Gewalt gerechtfertigt sei. Es gab klare geschlechtsspezifische Unterschiede in der Form, dass die befragten Frauen die Gewalt weniger rechtfertigten als die befragten Männer. Zum anderen zeigte sich, dass durch das Einflechten humorvoller Elemente in Gewalthandlungen die Gewalt selbst harmloser schien. Durch diese Untersuchung konnte also die These unterstützt werden, dass es durch die Verbindung von Gewalt und Humor zu einer Verharmlosung der Gewalt kommen kann.


Eine andere Studie fand heraus, dass Kinder nicht nur emotional auf Gewaltdarstellungen reagieren, sondern auch rasch moralische Urteile fällen. So empfanden sie beispielsweise die Gewalt gegenüber einer Schwester in einem Krankenhausdrama als besonders schlimm, weil es sich um eine hilfsbereite Frau handelte, die zudem in einem scheinbar sicheren Raum arbeitete und sich gegen mehrere Angreifer erwehren musste.


Die Studie zeigt, dass Kinder schon in diesem Alter genau wissen, was Gewalt für sie bedeutet. Sie können das, was sie sehen, interpretieren, sind in der Lage Realität und Fiktion zu trennen und fähig moralische Urteile durch das „lesen“ von Bildern zu entwickeln. Die Verantwortlichen sollten deshalb im Auge behalten, was Kindern besonders gewaltsam erscheint. Die Untersuchung legt nahe, dass mediale Gewaltdarstellungen direkten Einfluss auf Kinder und Jugendliche nehmen können. Andererseits ist ihr Urteilsvermögen relativ früh zu einem gewissem Teil ausgebildet, so dass Ereignisse wie in Wennenden nicht vorschnell zu erklären sind.


Das Beispiel der ersten Studie zeigt, dass Gewaltszenen in ihrem Kontext zu untersuchen sind. Die zweite Studie macht deutlich, dass Kinder grundsätzlich in der Lage sind den Kontext einer Gewaltdarstellung in ihre Urteilsbildung mit einbeziehen. Von der rein numerischen Zahl an Gewaltszenen in einer Sendestunde auf irgendeine Gefahr zu schließen sollte damit der Vergangenheit angehören.

 
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