Blut spritzt – und ich habe Angst. So viel Blut, so viel sinnlose Gewalt, abgetrennte Köpfe und durchsiebte Leiber! Da muss einem doch Angst und Bange werden. Angst, dass einem all dies genommen wird! So geht es jedenfalls mir, wenn ich die aktuelle Diskussion um das Verbot von Ego-Shootern lese. Denn wenn diese erst verboten sind, ist der Schritt zur Filmwelt kein großer mehr. Auch wenn erstere sich durch ein höheres Maß an Interaktivität auszeichnen und daher schneller in der (verzeihen Sie mir das Wortspiel) Schusslinie stehen, sehen wir uns doch vor eine grundlegende Frage gestellt:
Schaden Gewaltdarstellungen in fiktionalen Welten den Menschen in dieser unser realen Welt? Und aus persönlicher Vorliebe möchte ich präzisieren: Führt der Konsum von Filmen, in denen Gewalt ein vielleicht sogar zentrales Element darstellt, zwangsläufig oder zumindest tendenziell zu einem höheren Gewaltpotential bei Menschen?
Es steht außer Frage, dass Gewalt in Filmen tagtäglich allein in Deutschland Millionen Menschen erreicht und daher ist die Frage, wie diese wirkt, nur legitim. Gerne wird die Anzahl der Gewaltakte während eines Spielfilms gezählt. Doch von der reinen Existenz solcher Szenen, und mögen sie noch so zahlreich sein, sollte nicht der kausale Schnellschuss gewagt werden, dass diese dem braven deutschen Rezipienten die Unschuld rauben.
Die Empfehlungen des Jugendschutzes müssen natürlich eingehalten werden, da junge Menschen leichter zu beeinflussen sind. Doch ab einem gewissen Alter stellt sich für mich die Frage nach der Eigenverantwortung in Bezug auf das eigene Handeln. Eine Aussage wie „Das hab ich in einem Film gesehen!“ nach einer gewalttätigen Handlung verschreckt natürlich einige Menschen, die sich nicht vorstellen können, wie jemand eine solche Tat begehen konnte. Doch inwieweit ist eine derart tröstliche Lösung wissenschaftlich beweisbar?
Die existierenden Thesen zu dem Thema gehen mal davon aus, dass Menschen die gesehene Gewalt nachahmen wollen, dann wieder davon, dass sie abschreckend wirke. Mal kommt die Gewalt auf der Leinwand einer Ersatzbefriedigung gleich, dann ist sie wieder das reale Gewalt auslösende Moment. Und während die Wissenschaftler sich noch einzig in ihrer Uneinigkeit eins sind, formiert sich unter dem Banner der Moral eine Phalanx der Entschlossenen: Eltern, die wollen, dass ihr Schatz noch möglichst lange vor der kalten Welt da draußen beschützt wird, bieten Politiker rigide Vorschriften, was zumutbar ist.
Doch was ist schon noch zumutbar? Die Behörde, die in den USA für die Altersbegrenzung zuständig ist, findet es etwa in Ordnung, wenn gezeigt wird, wie Menschen erschossen werden, doch das dabei fließende Blut darf nicht gezeigt werden. Die geradezu perverse Ironie ist also: In den USA ist die Entwicklung nun soweit vorangeschritten, dass Filme, die von Gewaltdarstellungen leben, entweder nicht mehr finanzierbar sind, weil sie eine zu hohe Einstufung erhalten haben, oder sie müssen die Folgen der Gewalteinwirkung verschweigen. Dass die Konfrontation mit eben diesen vielleicht die abschreckendere Wirkung hätte als jedes Verbot, sollte den Zuständigen mal jemand in den Schädel prügeln…oh, verzeihen Sie. Ich habe wohl wieder zu viel ferngesehen.
Blut spritzt – und ich habe Angst. So gesehen haben die Moralapostel und Panikmacher wohl recht mit ihren kausalen Wirrwarrerklärungen. Nur habe ich weder Angst vor Jugendlichen, die schon mal ihre Waffen wetzen, noch davor selbst zum willenlosen Opfer des Netzhaut-Bombardements zu werden. Solange die wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema keine befriedigende Lösung bieten, ist die einzige Waffe die ich in diesem Zusammenhang fürchte die Schere der Zensur.